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Sprachentwicklung
Sprachentwicklung beschreibt, wie ein Kind in seiner Entwicklung die Sprache erlernt und welche Phasen dabei wichtig sind. Neben dieser individuellen Sprachentwicklung gibt es noch die allgemeine Sprachentwicklung. Diese beschreibt, wie sich Sprache als Konzept und Handwerkszeug in der Menschheitsgeschichte entwickelt hat.
Phasen der Sprachentwicklung
Phase | Zeitraum | Beschreibung |
---|---|---|
Die vorsprachliche Periode | (Geburt bis 6 Monate) | Das Kind produziert Laute wie Grunzen, Weinen, Schreien, Seufzen, Lachen und Gurren. |
Die Lall-Phase | (6 - 9 Monate) | Das Kind produziert Einheiten von Äußerungen, die Lallen genannt werden, die sich je nach Situation unterscheiden. Diese Einheiten beginnen, den Äußerungen der Erwachsenen akustisch ähnlich zu werden, weil das Kind sich von irrelevanten Phonemen trennt (nicht weil es neue Phoneme dazulernt). |
Die Jargon-Phase | (9 Monate) | Betonungsmuster und Sprachmelodie in längeren Äußerungen entsprechen klar denen der Erwachsenen. Einige Imitationen von allgemeinen sprachähnlichen Mustern lassen sich identifizieren. Einzelne Morpheme lassen sich von einem Zuhörer schwer identifizieren. |
Die Nachlall-Periode | (9 Monate bis 1 Jahr) | Diese Zeit ist durch Imitation von Klängen der Erwachsenensprache gekennzeichnet. |
Das Ein-Wort-Stadium | (1 Jahr bis 2 Jahre) | Das Kind verwendet einzelne Wörter, um ganze Phrasen oder Sätze auszudrücken; die Wörter werden in ihrer Bedeutung von den Erwachsenen aufgrund des Kontextes verstanden. Das Kind versteht viel von dem, was es hört; dies zeigt sich darin, dass es entsprechende Aufforderungen ausführt. Gegen Ende dieser Periode wächst der Wortschatz sprunghaft an: von etwa 20 Wörtern mit 18 Monaten auf etwa 200 Wörter mit 21 Monaten. |
Der Spurt in der Wort-Entwicklung | (2 Jahre) | Der Wortschatz wächst von etwa 300 Wörtern mit 24 Monaten auf 1000 Wörter mit 36 Monaten an. Zwei- und Dreiwort-Sätze werden gebildet (nach eigenen Regeln, die nicht der Erwachsenensprache abgeschaut sind). Die Intonation eines Wortes variiert: deklarativ, emphatisch und interrogativ. |
Die Satzperiode | (3 Jahre) | Zu dieser Zeit verwendet das Kind Sätze, die die grammatischen Merkmale der Erwachsenensprache enthalten. Das Kind kann funktional komplette aber grammatisch lückenhafte Sätze verwenden. |
3 - 5 Jahre | Das Kind verwendet Sätze jeder Art: unverständliche; funktional komplette aber grammatisch lückenhafte Sätze; einfache; verbundene; komplexe; verbundene und komplexe. | |
5 Jahre bis Erwachsenenalter | Der Wortschatz wächst weiter an; die lange, Komplexität und Verschiedenheit der verwendete Sätze steigen. |
In der Linguistik geht man davon aus, dass diese Sprachentwicklung der Ontogenese folgt, also einer „kleinen“ Variante der allgemeinen Sprachentwicklung (Phylogenese).
Vorsprachliche Phase:
Das Weinen durchläuft folgende Stufen: Im ersten Monat ist das Weinen noch recht undifferenziert. Das Baby weint oft und das selbe Weinen wird in einer Reihe verschiedener unangenehmer Situationen verwendet. Während des zweiten Monats differenziert sich das Weinen nach dem Grund (nasse Windeln, Hunger, Bauchweh, …)
Die Entwicklung der vorsprachlichen Lautäußerungen verläuft in allen Sprachen der Welt etwa gleich.
Sie beginnt damit, dass ein kleiner Säugling mit Bewegungen darauf reagiert, wenn man ihn anspricht; es sind Bewegungen, die er nicht ausführt, wenn er Ticken oder Klopfen hört. Einige Wochen nach der Geburt (etwa 3) beginnt das Kind zu vokalisieren. Mit zwei bis drei Monaten beginnt das Kind zu schnalzen; es werden auch Laute produziert, die in der Muttersprache nicht vorkommen (also wohl kaum nachgeahmt werden können). Nach etwa drei Monaten nehmen die Vokalisationen wieder ab. Zwischen dem siebten und zehnten Monat verlieren sich die Laute, die in der Muttersprache nicht vorkommen; scheinbar wird das Kind bezüglich der Aspekte der auditorischen Umwelt selektiv.. Hier wird die Rolle der Imitierung deutlich: Laut WEIR werden nun auch Intonation und Melodie der Muttersprache nachgeahmt. Um den ersten Geburtstag herum „erzählt“ das Kind Geschichten mit unverständlichen Wörtern, aber im Tonfall der Muttersprache; dies nennt SCHAERLAEKENS das angepasste oder soziale Lallen.
Diese Phase umfasst die Zeit von der Geburt bis zu der Produktion erster konventioneller Sprachsymbole. Die Mutter schafft über den Dialog, den sie zunächst alleine aufrechterhalten muss, eine gemeinsame Erfahrungswelt: indem sie das Verhalten des Säuglings interpretiert und diesem Bedeutungen zuweist, bringt sie den Säugling allmählich dazu, selbst solche Konzepte und Regeln zu erlernen, die die Basis für den Spracherwerb bilden.
Zuerst muss das Kind Kontrolle über den Sprachapparat erlangen - Mund, Lippen, Zunge und Stimmbänder -, um willentlich die entsprechenden Klänge produzieren zu können. Dann müssen die Kinder die Phoneme ihrer Sprache lernen. Nur wenn sie die Phoneme klar erkennen können, können sie erlernen, die Bedeutung von Wörtern zu erkennen und selbst solche Laute zu Wörtern zu kombinieren. Die Gesten und Lautäußerungen der Kleinkinder haben also bereits eine kommunikative Funktion; HALLIDAY spricht in diesem Zusammenhang von protolanguage.
Einübung interaktiver Grundmuster
BRUNER geht davon aus, dass die Sprache eine spezialisierte und konventionalisierte Erweiterung kooperativen Handelns ist. Sprachliche Symbole werden nicht als leere Hülsen gelernt: Konzeptuelle Unterscheidungen werden schrittweise mit Wörtern und Wortverbindungen unterlegt. Die fundamentalen Konzepte über interpersonale Aufmerksamkeits- und Handlungsstrukturen sind notwendige Voraussetzungen für das Erfassen sprachlicher Regeln.
Bezüglich der Vorläufer sprachlicher Formen ist es so, dass die Mutter sich ihrem Kind gegenüber weniger korrigierend als vielmehr interpretierend verhält; dabei neigt sie häufig dazu, das Verhalten des Kindes, insbesondere dessen mimischen und lautlichen Ausdruck, nachzuahmen („biologischer Spiegel“). Die von der Mutter inszenierten standardisierten Spiele helfen dem Kind nicht nur, die Intentionen, Gesten und Vokalisationen der Mutter zu verstehen, sondern sie bringen es auch dazu, selbst seinen Intentionen Ausdruck zu verleihen.
BRUNER beschreibt fünf Prozesse, in denen das vorsprachliche Kind von der Mutter auf den Spracherwerb vorbereitet wird:
- Im ersten Prozess lernt das Kind, in der Handlungsfolge den Handelnden vom Objekt der Handlung zu unterscheiden, womit die grammatische Subjekt-Prädikat-Unterscheidung vorbereitet wird.
- Der zweite Prozess besteht aus dem primitiven Zyklus der Aufmerksamkeitslenkung (Vorbereitung der regulatorischen Funktion der Sprache).
- Der dritte Prozess baut auf dem zweiten auf: Wenn sich die Mutter der ungeteilten Aufmerksamkeit des Kindes sicher ist, spricht sie über das Objekt und/oder führt mit diesem Handlungen aus.
- Der vierte Prozess ist der letzte, durch den die ersten Anfänge des Sprachgebrauchs erklärt werden sollen: Das Kind lernt, Fragen und Aufforderungen der Mutter am Tonfall zu unterscheiden.
- Beim fünften Prozess, der den anderen übergeordnet ist, steht das gemeinsame Spiel im engeren Sinne im Vordergrund. Über die Regeln im Spiel wird das Kind überhaupt erst für kulturelle Regeln sensibilisiert.
Wahrnehmung und Produktion von Sprachlauten
Mit den beiden variablen Komponenten der Artikulation und der Intonation modelliert das Kind seinen Ausdruck. Das Inhaltssystem besteht dabei aus einer Art Repräsentation, die noch wenig oder nichts mit den Wörtern der Erwachsenensprache zu tun hat.
Hierbei unterscheidet HALLIDAY vier Funktionen:
- instrumentelle oder „Ich will“-Funktion,
- regulatorische oder „Tu wie ich dir sage“-Funktion,
- interaktionale oder „Ich und du“-Funktion,
- personale oder „Hier komme ich“-Funktion.
Am Beginn der Sprache stehen also der Imperativ und affektive Äußerungen.
Entwicklung der Worte
Um die Entwicklung der Worte zu beschreiben, muss man sich die zwei großen Gruppen der Theorien zur Sprachentwicklung anschauen: Die Merkmalstheorien der Bedeutung, die davon ausgehen, dass die Bedeutung eines Wortes aus einer Ansammlung von kleinsten semantischen Einheiten besteht. Und die Prototypentheorien, die davon ausgeht, dass ein Exemplar einer Klasse nicht alle Merkmale aufweisen muss um Mitglied einer Klasse zu sein: Der Spatz ist nach dieser Theorie prototypisch, er erfüllt alle typischen Merkmale eines Vogels; der Pinguin allerdings erfüllt nicht alle Merkmale, ist also weniger prototypisch, trotzdem aber Mitglied der Klasse „Vögel“.
Semantische Merkmalstheorie
Die semantische Merkmalstheorie wurde von Eve Clark 1973 beschrieben 1).
- In der Ein-Wort-Phase (1,1 bis 2,6 Jahre) kommt es zu Überdehnungen. Das Kind nutzt also z.B. „Hund“ für alle Vierbeiner. Über einen Zeitraum von bis zu acht Monaten wird durch Wahrnehmungen der Wortschatz dann differenziert.
- An dieser Theorie wurde viel Kritik geübt, so dass sie von Eve Clark 1983 erweitert wurde.
Lexikalische Kontrasttheorie
Die lexikalische Kontrastheorie stammt ebenfalls von Eve Clark und wurde 1983 veröffentlicht. 2)
- Zwei linguistische Prinzipien, nämlich Kontrast und Konventionalität, sorgen für die Differenzierung und Erweiterung des Wortbestandes.
- Um diese These erweiterte Eve Clark ihre „Semantische Merkmalstheorie“.
Bedeutungswandel
nach Stern & Stern 1928
- Neben den von Eve Clark angesprochenen Überdehnungen sind auch Unterdehnungen möglich. Sie fallen zwar seltener auf in der Beobachtung, sind aber mit den Überdehnungen gleichwertig.
- Unterdehnungen haben den Sinn, eine Reizüberflutung zu verhindern. Außerdem würden sie das Kommunizieren einfacher machen.
- Beispiel: nur das elterliche rote Auto in der Garage ist auch ein „Auto“.
Prototypentheorie
nach Rosch 1975
Die Prototypenbildung ist individuell.
Der „Mond“ könnte Vertreter der Merkmale „rund“ und „Ball“ sein.
Das Kind lernt auch hier die Merkmale, die aber bestimmten Prototypen zugeordnet sind, wenn ein oder zwei Merkmale des neuen Gegenstandes übereinstimmen.
Die richtige Zuordnung kommt durch Correctiv Feedback und Motherese zustande und wird daher gelernt.
Die Prototypentheorie bezieht sich auf die Einwortphase bzw. Zweiwortphase in der Sprachentwicklung.
Funktionale Kernhypothese
nach Nelson 1974 und 1983
Die Fragestellung auf der diese Theorie beruht ist „Wie läuft die Differenzierung der einzelnen Begriffe ab?“, „Wann ist ein Ball ein Ball?“
1. Teilprozess Immer wieder gemeinsame Aktivitäten in unterschiedlichen Situationen. Aus diesen gemeinsamen Aktivitäten, kleinster gemeinsamer Nenner stellt funktionalen Kern dar.
2. Teilprozess Über den Kern wird nachgedacht und der kleinste gemeinsame Nenner ermittelt…