Dyslalie

Der Begriff Dyslalie bezeichnet die fehlerhafte Bildung eines Phonems, also eine fehlerhafte Artikulation. Dabei kann der Ziellaut fehlen (Mogilalie), durch einen anderen ersetzt sein (Paralalie) oder verzerrt (Distorsion) gebildet werden.

Die schwerste Form der Dyslalie ist die Alalie.

Im aktuellen wissenschaftlichen Diskurs hat man sich vom Begriff „Dyslalie“ distanziert und nutzt zur Bezeichnung eher Wörter wie „Aussprachestörung“ oder „Artikulationsstörung“. Trotzdem findet man die veraltete Begrifflichkeit „Dyslalie“ noch häufig in der Fachliteratur.

Ursachen der Artikulationsstörung

Ätiologie

  • genetische Faktoren
  • endokrine Faktoren
  • Infektionen
  • bakterielle Meningitis
  • Hirntraumen
  • Keimzellschäden
  • mechanische Faktoren
  • chemische Faktoren
  • Ernährungsfaktoren
  • Rh - Faktor
  • Umweltfaktoren

Die genannten Faktoren führen zu :

  • Störung der zeitlichen Koordination von Sprechbewegungen
  • Störung des Muskeltonus
  • Verminderter Sprechantrieb
  • Störungen des sensomotorischen Gedächtnisses
  • Störung des Gedächtnisses für Klangbilder
  • Störung der peripher auditiven Wahrnehmung
  • Störung des emotionalen Verhaltens

Formen der Artikulationsstörung

Quantitative Einteilung

  • isolierte Artikulationsstörung: 1 Laut / 1 Konsonantenverbindung wird falsch gebildet
  • partielle Artikulationsstörung: 2 -3 Laute / Konsonantenverbindungen werden falsch gebildet
  • multiple Artikulationsstörung: 4 - 6 Laute / Konsonantenverbindungen werden falsch gebildet
  • universelle Artikulationsstörung: mehr als 6 Laute / Konsonantenverbindungen werden falsch gebildet

Ätiologische Einteilung

  • audiogene Artikulationsstörung: durch Hörstörung verursachter Stammelfehler, betroffen sind oft besonders die hochfrequenten Zischlaute. Die sinnvollste Behandlung ist hier die Hörgeräteversorgung
  • funktionelle Artikulationsstörung: weiterbestehende physiologische Dyslalie ohne organisch-pathologische Veränderungen der Sprechorgane, kann bis 10. Lebensjahr dauern, meist von Sprachentwicklungsstörung begleitet. Ursache sind motorische Entwicklungsverzögerung, sprachlich ungünstige Umweltbedingungen, Intelligenzstörung
  • konsequente Artikulationsstörung: der falsche Laut wird immer auf die gleiche Weise fehlgebildet, z.B. Schuh = Suh
  • inkonsequente Artikulationsstörung: der falsche Laut wird nicht immer auf dieselbe Weise fehlgebildet, z.B. singen = dingen oder gingen.
  • konstante Artikulationsstörung: ein Laut wird immer falsch gebildet.
  • inkonstante Artikulationsstörung: ein Laut wird mal richtig mal falsch gebildet. Kann Zeichen für phonologische Störung oder für das noch nicht automatisierte Beherrschen des Lautes sein.
  • konditionierte Artikulationsstörung: gestammelter Laut wird als solcher erkannt. Lautfehler wird beibehalten, da immer wieder verstärkt.
  • mechanische Artikulationsstörung: Ursache der D. ist Veränderung der Mundmuskulatur, des Kiefers u./o. Zahnsystems.
  • motorische Artikulationsstörung: motorische Ungeschicklichkeit bei des Artikulationsbewegungen, zeigt sich besonders bei der Bildung von Lautverbindungen.
  • multiple Artikulationsstörung: Falschbildung von 3-4 Lauten und/oder Lautverbindungen, erschwerte Verständlichkeit.
  • organisch bedingte Artikulationsstörung: durch Schäden, Anomalien, Verletzungen der Artikulationsorgane oder druch eingeschränktes Hörvermögen bedingte Dyslalie.
  • partielle Artikulationsstörung: Störung der Aussprache von 1-2 Lauten und/oder Lautverbindungen, Verständlichkeit noch gut.
  • sensorische Artikulationsstörung: durch Wahrnehmungsstörung bedingtes Stammeln.
  • universelle Artikulationsstörung: 5 oder mehr Lauten und/oder Lautverbindungen sind fehlgebildet, die Sprache ist fast unverständlich. Die schwerste Form ist der Vokalismus, hier fehlen fast alle Konsonanten.
  • zentrale Artikulationsstörung: Dyslalie durch Hirnschädigung, bei 30% der Mehrfachbehinderten. Schwierigkeiten, die Lautfolgen in einem Satz in geordnetem Nacheinander zu sprechen, daher Umstellungen, Auslassungen, Verschmelzungen, Lauteinschiebungen, Angleichungen.

Typische Dyslalien

  • Schetismus Fehlbildung des Lautes [sch]
  • Sigmatismus Fehlbildung der Laute [s] und [z]
  • Gammazismus Fehlbildung des Lautes [g]
  • Kappazismus Fehlbildung des Lautes [k]
  • Rhotazismus Fehlbildung des Lautes [r] bzw. [R]
  • Lambdazismus Fehlbildung des Lautes [l]
  • Phitismus Fehlbildung der Laute [f] und [w]
  • Betazismus Fehlbildung des Lautes [b]

Arten der Fehlbildung

Qualitative Einteilung

  • Substitution: Der fehlgebildete Laut wird ersetzt durch einen anderen Laut. Aus /kindergarten/ wird zum Beispiel /tinderdarten/
  • Elision: Der entsprechende Laut wird ausgelassen.
  • Distorsion: Der entsprechende Laut wird fehlgebildet. Aus dem /s,z/ wird zum Beispiel ein interdentales /s,z/.
  • Addition: Ein Laut wird hinzugefügt

Diagnostik

Es gibt zahlreiche Diagnostikverfahren für die Sicherstellung der Diagnose „Dyslalie“. Allen gemein ist die Überprüfung der typischen Laute der deutschen Sprache an den unterschiedlichen Positionen im Wort.

  • PLAKKS - Psycholinguistische Analyse kindlicher Sprechstörungen

Therapie

Im Anschluss an die Diagnostik wird die Therapie der Dyslalie geplant. Wichtige Kriterien sind hierbei die Entwicklung der Laute, die Position des fehlgebildeten Lauts innerhalb eines Wortes und die Art der Fehlbildung, ob ein Laut also ersetzt oder ausgelassen oder fehlgebildet wird.

Zur Behandlung stehen auf Basis dieser Kriterien verschiedene Therapiekonzepte zur Verfügung. Allen gemein ist, dass sie sich an Charles Van Riper orientieren: Kenntnisse über den Laut müssen vermittelt werden, der Laut muss ausreichend identifiziert bzw. differenziert werden können und wird dann zunächst am Wortanfang, dann am Wortende und dann in der Wortmitte geübt. Sobald der Laut dort sicher ist, kann von der Wortebene auf Satzebene übergegangen werden. Hier sind für die Kinder Reihensätze zunächst leichter, da sie sich noch auf das Wort konzentrieren können und trotzdem sich schon auf Satzebene befinden.

Allgemein muss bei der Planung und Auswahl des entsprechenden Therapiekonzeptes zuvor, anhand der Diagnostik entschieden werden, ob es sich um eine phonetische oder phonologische Störung handelt. Eine Hilfe stellt das Klassifikationsmodell nach Dodd dar.